Beyond the Frame: Potenziale der Essener Kooperation zwischen Museum und Universität

Was passiert, wenn künstlerische Ausbildung, kuratorisches Denken und restauratorische Fragestellungen aufeinandertreffen?  Die Antwort liefert eine Zusammenarbeit zwischen dem Museum Folkwang und der Folkwang Universität der Künste unter dem Dach des Zentrums für Fotografie in Essen.

Die Zusammenarbeit zwischen Museum und Universität hat in Essen schon länger Tradition, in Form von Wissensaustausch, Aufnahme von Werken zeitgenössischer Künstler*innen und gemeinsamer Realisation von Ausstellungsprojekten. Die Auseinandersetzung mit fotografischer Materialität wurde zwar mitgedacht, sie erhielt jedoch erst mit der Einrichtung von zwei Stellen für Fotorestaurator:innen durch die Stadt Essen im Jahr 2021 eine systematischere Betreuung. In der Vergangenheit bot die Begleitung des kuratorischen Nachwuchses im Rahmen des Stipendienprogramms der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung am Museum wertvolle Einblicke in die Praxis. Zugleich wurde deutlich, wie groß das Potenzial ist, konservatorisches Grundwissen künftig noch stärker zu integrieren. Kooperationen wie durch das Zentrum für Fotografie Essen eröffnen nun neue Perspektiven auf Berufsfelder und schaffen Schnittstellen zwischen Theorie und Praxis.

Seit 2021 ergänzen Lehrveranstaltungen zur Fotokonservierung das Curriculum der Studiengänge Fotografie (BA), Photography Studies and Practice (MA) sowie Photography Studies and Research (MA). Am Museum Folkwang werden dazu Seminare zu fotografischen Verfahren, zu Schadensbildern und fachgerechter Lagerung bis hin zu Restaurierungsethik durchgeführt. Das Programm wird stetig weiterentwickelt. Unter Anleitung können die Studierenden Originale untersuchen, stereoskopisch analysieren und einfache konservatorische Bewertungsschritte nachvollziehen. Sie lernen die Fragilität und Komplexität des Materials kennen. Für angehende Künstler*innen und Fototheoretiker*innen bietet die Auseinandersetzung mit Grundlagen zur Bestandserhaltung nicht nur praktische Relevanz, sondern auch einen Perspektivwechsel: hin zu Fragen des nachhaltigen Umgangs mit dem Material, der Originalität und der Rezeption.

Diese Form der Lehre will kein Studium der Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften ersetzen. Vielmehr wird ein grundlegendes Bewusstsein vermittelt. Gerade in einem Feld, das zunehmend von digitalen, hybriden und experimentellen Formaten geprägt ist, kann dieses Wissen den Umgang mit dem eigenen künstlerischen Werk grundlegend verändern – sei es im Atelier, in der Ausstellung oder im Archiv.

Am Ende steht eine zentrale Erkenntnis: Die Grundlage zur Erhaltung von Fotografien sind fundierte Kenntnisse über Alterungsprozesse, Umwelteinflüsse und Wechselwirkungen. Sie profitieren zusätzlich von interdisziplinärem Austausch und der Bereitschaft, Materialität bereits im Schaffensprozess ernst zu nehmen. Wer fotografische Werke schafft, kuratiert oder bewahrt, übernimmt Verantwortung für deren langfristige Lesbarkeit, Zugänglichkeit und Kontextualisierung. Die Kooperation eröffnet für alle Beteiligten ein einzigartiges Lernumfeld.

Heike Koenitz 

… ist als Fotorestauratorin am Museum Folkwang sowie frei tätig und zugleich Dozentin an der Folkwang Universität der Künste in Essen

Theresa Fritzen

… ist als Restauratorin am Museum Folkwang für das Archiv Michael Schmidt zuständig und studiert Arts & Cultural Management in Lüneburg

 

BU: Universität Essen, Bildbesprechung mit Michael Schmidt (v.l.n.r. Andreas Gursky, André Grossmann, unknown student, Uschi Blume, Achim Straub, M. Schmidt, Dieter Zinn), Juni 1980, 2019, Silbergelatineabzug, Objektmaß 23,8 x 30,5 cm, Fotografische Sammlung Museum Folkwang (© Petra Wittmar)